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Die 5 besten Adolescence-Alternativen im Detail

von Lilli Friedrich, am 25.9.2025

Junge Frau sitzt nachdenklich im warm beleuchteten Wohnzimmer, umgeben von persönlichen Gegenständen.

Die kanadische Serie “Adolescence” (Originaltitel: L’Âge adulte) ist kein klassisches Coming-of-Age-Drama über das Teenageralter. Stattdessen ist es eine Geschichte über das “Coming Home” – die oft schmerzhafte Rückkehr eines jungen Erwachsenen in die Welt, die er einst verlassen hat. Auslöser ist ein Schicksalsschlag: Nach dem Tod seines Bruders reist Alex in seine Heimatstadt, um an der Beerdigung teilzunehmen.

Doch aus dem kurzen Besuch wird ein längerer Aufenthalt, der alte Wunden aufreißt und lang gehütete Familiengeheimnisse ans Licht bringt. Im Zentrum steht die komplexe Dynamik zwischen Alex, seiner Schwester und seiner Mutter, die gemeinsam versuchen, den Verlust zu verarbeiten.

Dabei findet die Serie ihren Takt im bittersüßen Raum zwischen Lachen und Weinen. Suchst du nach weiteren Serien, die tiefe Familienthemen mit einem Hauch von schwarzem Humor verbinden und sich trauen, das Chaos des Lebens ungeschönt zu zeigen? In diesem Praxistipp findest du fünf passende Alternativen.

1. Fleabag

Selten hat eine Serie Trauer, Familiendrama und die chaotische Suche nach sich selbst so brillant mit rabenschwarzem Humor verbunden wie die britische Erfolgsserie Fleabag. Auf den ersten Blick eine Komödie, entfaltet sich hier eine der herzzerreißendsten Geschichten der letzten Jahre.

Worum geht es genau?

Die Serie folgt einer jungen Frau in London – deren Namen wir nie erfahren und die nur als “Fleabag” bezeichnet wird –, während sie versucht, ihr Leben zu meistern. Sie betreibt ein schlecht laufendes Meerschweinchen-Café, stürzt sich in unbedachte sexuelle Abenteuer und navigiert die katastrophalen Beziehungen zu ihrer Familie. Über allem schwebt die noch nicht aufgearbeitete Trauer über den Tod ihrer besten Freundin.

Warum die Serie eine gute Alternative ist

Die Verbindung zu “Adolescence” ist tiefgreifender, als es zunächst scheint. Beide Serien werden von einer Tragödie in Gang gesetzt, die ihre Protagonisten zwingt, sich mit ihrer Familie und ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wo bei “Adolescence” der Tod des Bruders die treibende Kraft ist, ist es bei Fleabag der Verlust ihrer besten Freundin und ihrer Mutter.

Beide Serien nutzen einen oft zynischen Humor als Überlebensstrategie. Sie zeigen, dass die dunkelsten Momente des Lebens oft auch die absurdesten sind. Vor allem aber glänzt Fleabag in der Darstellung einer komplizierten Geschwisterdynamik. Die Beziehung zwischen Fleabag und ihrer Schwester Claire ist ein Meisterwerk an Realismus.

Die Mischung aus tiefer Zuneigung, verletztem Stolz und gegenseitigem Unverständnis, erinnert stark an die familiären Spannungen in “Adolescence”. Wenn ihr also eine Serie sucht, die ungeschönt, brutal ehrlich und gleichzeitig unglaublich witzig zeigt, wie man nach einem Verlust versucht, wieder auf die Beine zu kommen, ist Fleabag die perfekte Wahl.

Auf einen Blick:

2. We Are Who We Are (USA/Italien)

Diese Miniserie des gefeierten Regisseurs Luca Guadagnino (Call Me by Your Name) ist weniger eine Serie mit einer Handlung als vielmehr ein filmisches Gedicht über das Gefühl, jung und verloren zu sein.

Worum geht es genau?

Der 14-jährige, exzentrische Fraser zieht mit seinen beiden Müttern, die im US-Militär dienen, auf eine Armeebasis in Chioggia, Italien. Dort fühlt er sich zunächst völlig fremd. Er freundet sich mit Caitlin an, einem Mädchen, das schon länger auf der Basis lebt, aber ebenfalls mit ihrer Identität und ihrem Platz in der Welt ringt. Die Serie folgt den beiden und ihrer Clique durch einen trägen, heißen Sommer voller Experimente, Selbstzweifel und der Suche nach Zugehörigkeit.

Warum die Serie eine gute Alternative ist

Guadagninos Stil ist langsam und beobachtend, fast meditativ. Er verzichtet auf eine klassische Spannungsdramaturgie. Stattdessen fängt er Stimmungen und flüchtige Momente ein. Die Kamera verweilt lange auf den Gesichtern der Protagonisten oder auf Details der Umgebung.

Die Serie stellt mehr Fragen, als sie Antworten gibt, und spiegelt damit perfekt die Verwirrung der Pubertät wider. Die Handlung ist nebensächlich; im Vordergrund steht das Gefühl des “Dazwischenseins” – zwischen den Kulturen (amerikanisch und italienisch), zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, zwischen den Geschlechteridentitäten. Es ist eine Serie, die man mehr fühlt als versteht.

Auf einen Blick:

3. Sex Education (Großbritannien)

Auf den ersten Blick wirkt Sex Education mit seinem bunten Retro-Stil und dem humorvollen Ton wie das genaue Gegenteil von “Adolescence”. Doch hinter der Fassade verbirgt sich eine sehr emotionale Serie.

Worum geht es genau?

Otis Milburn ist ein sozial unbeholfener Teenager, dessen Mutter eine renommierte Sextherapeutin ist. Dadurch ist er unfreiwillig mit einem enormen theoretischen Wissen über menschliche Sexualität ausgestattet.

Die rebellische Maeve Wiley erkennt das Potenzial und überredet ihn, eine geheime “Therapieklinik” für ihre Mitschüler an der Moordale Secondary School zu eröffnen. Während Otis anderen bei ihren Problemen hilft, muss er sich seinen eigenen Ängsten und Unsicherheiten stellen.

Warum die Serie eine gute Alternative ist

Die Stärke von Sex Education liegt darin, dass sie die Probleme ihrer Figuren, so absurd sie manchmal auch erscheinen mögen, immer ernst nimmt. Die Serie nutzt Humor als Türöffner, um komplexe und oft tabuisierte Themen wie sexuelle Traumata (Aimees Geschichte), Leistungsdruck (Jacksons Panikattacken) oder die schwierige Beziehung zu den Eltern (Adams Konflikt mit seinem Vater) zu verhandeln.

Jede Figur, selbst die anfangs klischeehaft wirkende, erhält eine tiefgründige Hintergrundgeschichte. Die Serie zeigt Verletzlichkeit ohne Filter und vermittelt dabei eine zutiefst humanistische Botschaft: Es ist in Ordnung, verwirrt und unperfekt zu sein. Die Authentizität liegt hier nicht im Realismus der Handlung, sondern in der emotionalen Wahrhaftigkeit der Charaktere.

Auf einen Blick:

4. My Mad Fat Diary (Großbritannien)

Diese auf den echten Tagebüchern von Rae Earl basierende Serie ist ein oft übersehenes Juwel, das einen schonungslosen Blick auf psychische Gesundheit und das Körperbild im Jugendalter wirft.

Worum geht es genau?

Die Handlung spielt 1996 in Lincolnshire. Die 16-jährige, übergewichtige Rae hat gerade vier Monate in einer psychiatrischen Anstalt verbracht. Nun versucht sie, in der Außenwelt wieder Fuß zu fassen.

Sie verschweigt ihren Klinikaufenthalt vor ihrer alten besten Freundin Chloe und deren neuer Clique und versucht verzweifelt, ein “normales” Teenagerleben mit Partys und Jungs zu führen. Parallel dazu kämpft sie mit Depressionen, Angststörungen und einem stark negativen Selbstbild.

Warum die Serie eine gute Alternative ist

Die Verbindung zu “Adolescence” liegt in der ungefilterten Subjektivität. Durch Raes Tagebucheinträge, die als Voice-Over fungieren, erhält der Zuschauer einen direkten und unzensierten Zugang zu ihrem Innenleben. Wir hören ihre brutal ehrlichen, oft selbstzerstörerischen, aber auch unglaublich witzigen Gedanken.

Die Serie stellt psychische Erkrankungen nicht als ein Problem dar, das man einfach “überwindet”, sondern als einen konstanten Teil des Alltags. Die Darstellung ist dabei so präzise und nachvollziehbar, dass sie von vielen Betroffenen und Therapeuten gelobt wurde. Der 90er-Jahre-Britpop-Soundtrack schafft zudem eine sehr greifbare, nostalgische Atmosphäre.

Auf einen Blick:

5. Normal People (Irland)

Die Verfilmung des Bestsellers von Sally Rooney ist eine meisterhafte, intime Studie über die Komplexität einer ersten großen Liebe und die Art, wie soziale Herkunft und persönliche Unsicherheiten eine Beziehung formen.

Worum geht es genau?

Die Serie begleitet Marianne und Connell von ihrer Schulzeit in einer irischen Kleinstadt bis zu ihren Studienjahren am Trinity College in Dublin. In der Schule ist Connell der beliebte Sportler, während die intelligente Marianne eine Außenseiterin ist. Heimlich beginnen sie eine Affäre.

An der Universität kehren sich die Verhältnisse um: Marianne blüht im intellektuellen Umfeld auf, während Connell Schwierigkeiten hat, Anschluss zu finden. Über die Jahre hinweg kreuzen sich ihre Wege immer wieder, doch ihre Unfähigkeit zur offenen Kommunikation stellt ihre tiefe Verbindung permanent auf die Probe.

Warum die Serie eine gute Alternative ist

Ähnlich wie “Adolescence” ist Normal People eine Langzeitbeobachtung. Die Serie konzentriert sich voll und ganz auf die Mikrodynamik zwischen den beiden Hauptfiguren. Die Inszenierung ist extrem intim. Die Kamera fängt jede kleinste Regung, jeden unsicheren Blick und jedes Zögern ein.

Oft sind es die Pausen im Gespräch, die mehr aussagen als die gesprochenen Worte. Die Serie zeigt brillant, wie Missverständnisse entstehen und wie sehr die eigene Vergangenheit das gegenwärtige Handeln beeinflusst. Es ist eine ruhige, melancholische und zutiefst menschliche Geschichte über zwei Menschen, die sich lieben, aber nicht wissen, wie sie miteinander sein sollen.

Auf einen Blick:

Fazit: Fünf fundierte Alternativen für anspruchsvolle Zuschauer

Die vorgestellte Auswahl an Serien knüpfen thematisch an die Kernaspekte von „Adolescence“ an: die Verarbeitung von Verlust, komplexe Familienbeziehungen und die Suche nach der eigenen Identität. Die fünf Titel unterscheiden sich jedoch faktisch in ihrer Tonalität und Erzählweise.

Von der komödiantischen Aufarbeitung in „Fleabag“ und „Sex Education“ über die rohe Perspektive von „My Mad Fat Diary“ bis zum intimen Beziehungsdrama in „Normal People“ findet sich für unterschiedliche Vorlieben eine passende Option. Jede dieser Serien liefert somit eine konkrete, charakterzentrierte Alternative für Zuschauer, die tiefgründige und ehrliche Themen schätzen.

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